Offener Brief an die Bürgermeisterin von Vockerode

Sehr geehrte Frau Luckmann,
mit Sorge haben wir die jüngsten Entwicklungen um die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen in Vockerode verfolgt.
Angefangen bei der Petition der Flüchtlingsinitiative Wittenberg vom Dezember 2012, in welcher wiederholt eine dezentrale Unterbringung gefordert wurde, blieb es beim leeren Versprechen des Landkreises Wittenberg eine solche zu ermöglichen.
Am Tage des Zwangsumzugs, wurden Bürger_innen vereinzelt nach ihren Meinungen gefragt. Diese enthielten von vornherein diverse Vorurteile gegen Flüchtlinge. Wie Sie selbstverständlich wissen, verteilten die NPD- Kreisverbände Wittenberg und Anhalt- Bitterfeld am
10 Januar Flyer, um über ihr menschenverachtendes Weltbild zu informieren. Wie auch in ihren Wahlkämpfen gingen sie unverblümt auf ihre „Lösung des Problems“ ein.
So hieß es beispielsweise: „Mit uns wird es diese Art von Ausländerpolitik nicht mehr geben. Wirtschaftsflüchtlinge, … und kriminelle Elemente werden ohne viel Palaver in ihre Herkunftsländer überführt.“ Weiterhin zogen sie in dem Flyer eine Parallele zu den Zuständen in Insel, in dem sie sich als glorreiche Retter der „armen, ungehörten“ Bürger_innen von Insel darstellten: „Die Bürger von Vockerode sollten ihren Blick z.B. zum Altmarkdorf Insel wenden. … , (dort) gab die NPD den Bürgen von Insel eine Stimme. Deshalb liegt es jetzt bei den Bürgern von Vockerode, ob sie ihren bisher friedlichen Ort zu einen zweiten Insel werden lassen … Die Unterstützung der NPD wäre den Bürgern dafür jedenfalls sicher!“ .
Uns ist bewusst, dass Sie und die Bürgerinitiative sich offiziell von der Zusammenarbeit mit jeglichen Neonazistrukturen distanzieren. Dies unterstützen wir vollkommen. Wir denken sogar, dass es in dieser Situation fatal wäre, NPD Infostände – wie angekündigt – zuzulassen.
Wir nahmen an dem Gründungstreffen der Bürgerinitiative am 25. Januar teil. Unser Eindruck der Stimmung in Vockerode lässt sich wie folgt beschreiben: Flüchtlinge wurden von Anwohner_innen zu Sündenböcken gemacht, obwohl die Verantwortung und Klärung der auftretenden Probleme klar dem Landkreis obliegt. („Müllproblem“, unzureichende Busverbindungen, fehlender Informationsfluss)
Ein Zitat von Ihnen ist uns noch immer präsent im Kopf: „Es ist ein steiniger Weg, der in keine rechtsradikale Schublade gesteckt werden darf“. In den Beiträgen der meisten Bürger_innen wurden jedoch massiv rassistische, ignorante Vorurteile reproduziert.
Es solle ein „Abbau der Ausländer auf ein erträgliches Maß“ erfolgen. Man kenne „das Problem“, „Die Asylbewerber sollen irgendwo leben, aber es muss ja nicht in Vockerode sein“, „Wenn Vockerode nun schon die Flüchtlinge nehmen muss, sollen wenigstens auch Gelder für die Ortskasse fließen“, „Sollen WIR jetzt auswandern?“, „Man kann die ja an den Waldrand packen, wo sie keiner sieht“ und „Als die das erste Mal Randale gemacht haben, hatte ich gleich am nächsten Tag ein Formular von der NPD im Briefkasten. Ich
muss ja sagen, dumm sind die nicht.“ Nebenbei vernahmen wir etliche Bemerkungen wie, „Geh zurück nach Afrika.“ oder „Zwei Zimmer für vier Leute: das reicht doch!“
Eine einzige Stimme mahnte am Ende des Abends auf ein Miteinander und forderte gesamt Vockerode auf, in den Dialog zu treten. Es müsse gemeinsam eine Lösung gefunden werden. Dieser Meinung sind wir auch. Wir schließen uns der Forderung der Initiative nach der „Schaffung einer Plattform zur offenen Diskussion und Information“ an, denn es sollte unserer Meinung vorrangig darum gehen, kontinuierlich Vorurteile und Rassismen abzubauen.
Wir vermuten, dass durch die NPD Stände „Öl ins Feuer“ gekippt werden würde. Daher wenden wir uns an Sie, um Sie mit Nachdruck zu bitten, u.a. auf rechtlichem Wege alles Mögliche zu tun um menschenverachtenden Einstellungen keinen Raum zu geben.
Wir schätzen Ihr bisheriges Engagement hoch und verbleiben mit freundlichen Grüßen.
AK AntiRa Magdeburg
Antirassistisches Netzwerk Sachsen-Anhalt