Interview mit OSMAN TIGANI

Was ist letzte Woche in der Ausländerbehörde passiert?
Ich bin hingegangen, um meine Duldung zu verlängern. Mir wurde gesagt: „Warte kurz, der Computer ist kaputt, ich muss in ein anderes Zimmer gehen.“ Ich wartete da, und nach ungefähr 10 Minuten kamen Polizisten, die mich festhielten und mir sagten: „Du mußt zurück in den Sudan gehen.“ Sie fragten, ob ich vor vier Wochen einen Abschiebebescheid bekommen hatte. Ich antwortete „Nein“. Sie sagten mir noch, dass der Flug am 8.2. schon gebucht sei.
Gab es jemals zuvor einen Versuch dich abzuschieben?
Nein, aber vor drei Monaten brachte die Ausländerbehörde mich zur Botschaftsanhörung, dort waren auch zwei Beamte das Bundesamtes, die meine Papiere mitbrachten, aus denen die Staatsangehörigkeit hervorgeht.
Und vor einem Monat habe ich einen Brief bekommen, der mich zur „freiwilligen Ausreise“ aufforderte.
Mir wurde später auch gesagt, dass sie mir keinen Abschiebebescheid geschickt hatten, damit ich nicht „verschwinden“ könne.

Was ist dann passiert?
Sie brachten mich ins Gefängnis nach Halle, wo ich einen Tag blieb. Am Mittwoch gegen 14 Uhr wurde ich ins Gericht nach Bitterfeld gebracht. Dort sah ich neben dem Richter auch Herrn Otto, einen Beamten der Ausländerbehörde.
Ich sagte ihnen, dass ich im Sudan seit langer Zeit viele Probleme habe.
Niemals habe ich einen Aufenthaltstitel bekommen, obwohl ich bewiesen habe, dass ich aus Darfur stamme. Ich bin seit neun Jahren der Einzige aus dieser Region in Sachsen-Anhalt.
Im Sudan herrscht Krieg. Meine Familie lebt in einem Camp zwischen Tschad und Sudan. Die Hauptstadt Karthoum habe ich noch nie gesehen, ich kenne dort niemanden.
Wenn ich in den Sudan zurückkomme, werde ich getötet.
Früher war ich aktiv in der J.E.M. (Justice and Equality Movement, Rebellengruppe in Darfur). Ich habe viel gegen die Regierung geschrieben, die Leute dort kennen mich.
Hattest du die Möglichkeit dich im Gericht zu äußern?
Sie haben sie mir nicht die Chance gegeben, zu sprechen, es war schon alles geplant. Ich wollte viel erzählen, aber sie sagten, es sei schon alles fertig. Ich sagte: „Ich bin noch nicht fertig: Wenn ich in den Sudan gehe, werden diese Leute mich töten! Alle wissen das, und Sie selber wissen auch, was im Sudan passiert.“
Ich sagte, ich bin nach Deutschland gekommen wegen den Menschenrechten. Ich kenne das aus dem Sudan nicht. Aber ich habe hier nie Menschenrechte erlebt. Anfangs lebte ich in Zerbst. Als dieses Lager geschlossen wurde, musste ich nach Marke ziehen. Dort gibt es gar nichts. Ich lebe seit Jahren dort mit 132 € im Monat.
Der Richter fragte auch, ob ich keinen Ort hätte, an den ich gehen könnte, wenn ich in den Sudan zurückkäme. Ich sagte: „Das auch, aber es ist gefährlich für mich, denn sie werden mich dort umbringen.“ Ich hatte auch einen Folgeantrag gestellt, das Bundesamt weiß also um meine Geschichte. Der Beamte der Ausländerbehörde und der Richter haben nur gelacht.
Ich dachte: Was soll ich machen, ich habe keine Chance gegen diese Leute. Ich sagte „Besser ich bin hier tot, als dort.“ Im Gefängnis war ich ruhig, aber wenn sie mich nach Berlin gebracht hätten, hätte ich versucht mich umzubringen. Besser tue ich es selbst, als jemand anderes für mich.
Konntest du jemanden kontaktieren?
Ich durfte meinen Cousin 2 Minuten anrufen, und der benachrichtigte eine Anwältin. Mein Cousin rief auch den Richter an, aber der gab ihm eine falsche Nummer des Gerichts.
Was passierte nach der Gerichtsverhandlung?
Ich wurde in die JVA Dessau in Abschiebehaft gebracht. Ich habe dort auch eine Person aus dem Irak getroffen. Ansonsten war ich die ganze Zeit allein, ich hatte keinen Kontakt zu anderen Häftlingen. Täglich gab es eine „Freistunde“. Am zweiten Tag sagte ich: „Morgen bin ich im Sudan, was soll ich mit einer Freistunde?“
Wie wurdest du dann entlassen?
Am Freitag kam ein Schließer zu mir, der fragte:“ Wenn wir dich entlassen, wohin gehst du?“ Ich sagte: „Ich gehe raus!“
Er wollte wissen, ob ich in Dessau Leute kenne und wo diese wohnen. Ich sagte, ich kenne die Straßen nicht und gab ihm die Adresse eines Cafés in der Stadt.
Wie geht es jetzt weiter?
Ich weiß dass ich in Deutschland bleiben will. Ich habe keinen anderen Platz.