[Wittenberg] Proteste gegen Aufbettung im Lager in Vockerode


Am vergangenen Dienstag, 18.08.2015, protestierten Geflüchtete in Vockerode (Landkreis Wittenberg) gegen die Aufbettung ihrer schon mit jeweils vier Personen belegten 3-Raum-Wohnungen, die ohne Ankündigung oder Erklärung von Seiten des Sozialamts durchgeführt wurde.
Im Mittelpunkt der Kritik durch die Bewohner stand allem voran die fehlende Kommunikation zwischen dem Landkreis und den Menschen, die bereits in Vockerode leben müssen. Ohne jegliche Informationen im Vorfeld wurden Anfang der Woche neue Betten in den Wohnungen aufgestellt. Für die Bewohner stellt dieses Vorgehen einen Eingriff in ihre Privatsphäre dar, als auch eine Entmündigung in der Entscheidung über die Frage mit wem und mit wievielen Menschen sie sich ihr Zuhause teilen wollen bzw. müssen. Bisher waren in den Wohnungen, bestehend aus zwei kleinen Schlafräumen und einem Wohnzimmer mit offener Küche, vier Erwachsene untergebracht. In Zukunft sollen es mindestens fünf Personen in den knapp 50 qm-Wohnungen sein. Um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen, entfernten die Bewohner kurzerhand die neuen Betten und warfen sie aus dem Fenster.
Das Leben auf engem Raum wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sich die Bewohner pro Wohnung einen kleinen Kühlschrank ohne richtiges Eisfach teilen müssen. Die Bitte an den Landkreis, vernünftige Geräte zu bekommen, wurde wie auch bei vielen anderen Anfragen abgelehnt.
Auch der Landkreis Wittenberg muss in den kommenden Monaten mehr neu ankommende Geflüchtete unterbringen als bisher. Das Konzept der sogenannten dezentralen Unterbringung sieht vor, dass die Geflüchteten in vom Landkreis angemietete Wohnungen verteilt werden. Ein Mitspracherecht, wo in welcher Wohnung und mit wem die Geflüchteten wohnen, besteht nicht.
Das Flüchtlingskomitee Vockerode betont, dass ihm das Problem der Unterbringung durchaus bewusst sei, und erklärt seine Solidarität mit allen Menschen, die in Deutschland und anderswo auf der Fluch sind. Bedauerlich sei jedoch, dass die Verantwortlichen im Sozialamt Wittenberg sich immer wieder unfähig oder unwillens zeigen, das Gespräch mit den gewählten Vertretern der Geflüchteten in Vockerode zu suchen. Denn so hätte auch die Eskalation dieses Konflikts um die Aufbettung ohne Probleme gelöst werden können.
Seit seiner Einführung steht die „dezentrale Unterbringung“ wegen mangelnden Mitsprache- und Entscheidungsrechts in der Kritik. Insbesondere in Vockerode kann ohnehin nicht von einem dezentralem Wohnen gesprochen werden. Vielmehr handelt es sich um ein Lager, dass sich auf eine größere Anzahl von Wohnungen in zwei Neubaublöcken verteilt. Alleinig das Merkmal der fehlenden Gemeinschaftsräume soll reichen um die Unterbringung nicht als eine „Gemeinschaftsunterkunft“ auszuweisen.
Immer wieder betont der Landkreis, dass es sich bei dem Unterbringungskonzept um ein Wohnen in Privatwohnungen handelt. Die Rechte eines regulären Mietverhältnisses bestehen für die BewohnerInnen allerdings nicht. Auch erhalten sie keinen gängigen Mietvertrag. Dieser ist nach Ansicht der Verwaltung auch nicht nötig, da die Miete von rund 122 € pro Person pro Monat (inklusive Nebenkosten und Strom) direkt vom Sozialamt an den Vermieter, die Sparkasse, gezahlt wird. Nach den aktuellen Kenntnissen gibts keine Pläne an der Höhe der Miete etwas zu ändern. Das bedeutet, für die Wohnungen in Vockerode werden in Zukunft monatlich bei einer Belegung mit fünf Personen rund 610 € Miete gezahlt, was einem Quadratmeterpreis von über 10 € entspricht! Der durchschnittliche Mietpreis lag 2015 im Landkreis bei 5,15 €/qm (Quelle). Dieser Fakt zeigt einmal mehr, dass die zentralisierte, vom Landkreis kontrollierte Unterbringung von Geflüchteten deutlich mehr Kosten verursacht, anstatt den Menschen den Zugang zum normalen Wohnungsmarkt zu erlauben und eine selbstbestimmte Wahl des Wohnorts und Wohnumfelds zu ermöglichen.
Bericht auf mdr
Bericht in der MZ
Zur Unterbrinungssituation allgemein, MZ
Zur Dezentralen Unterbringung, Audio