Abschiebungen werden in Zukunft nicht mehr angekündigt

Das Ministerium für Inneres und Sport in Sachsen-Anhalt hat per Erlass die Ausländerbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte aufgefordert ab sofort Abschiebungen grundsätzlich ohne vorherige Ankündigung durchzuführen. Bei Vorliegen einer besonderen Härte sind im Einzelfall Ausnahmen möglich.
Das Innenministerium argumentiert, dass abgelehnte Asylsuchende, zumeist auch als „Wirtschaftsflüchtlinge“ kategoriesiert, den poltisch verfolgten Flüchtlingen den Platz in den Unterkünften wegnehmen würden, indem sie sich ihrer Abschiebung wiedersetzen, Rechtsmittel gegen diese einlegen oder in die Illeaglität gehen (müssen). Der Erlass zementiert damit die Unterteilung von Schutzsuchenden in „echte“ und „falsche“ Flüchlinge und somit die Selektion von Menschen nach bundesdeutschen Vorstellungen. Hierbei wird einmal mehr völlig ausgeblendet, dass Fluchtursachen neben politischer Verfolgung meist auf einer vielfältigen Verschränkung von wirtschaftlicher Notlage, Krieg und gewaltätigen Auseinandersetzungen und Umwelt- und Klimaveränderungen beruhen.
Der Vorsitzende der Landtagsfraktion „Die Linke“, Wulf Gallert schätz die Konsequenzen aus dem Erlass wie folgt ein: „Mit der Ankündigung des Innenministers, Abschiebungen ab sofort ohne vorherige Ankündigungen durchzuführen, ist vor allem Eines zu befürchten: All jene, die keinen bestätigten Aufenthaltsstatus haben, leben jetzt mit einer ständigen Bedrohung. Es besteht die Gefahr, dass viele, die jetzt ganz unmittelbar von der Rückführung in ihre Heimatländer bedroht sind, versuchen werden unterzutauchen. Das verschärft im Übrigen auch die Situation für die Kommunen, anstatt sie zu entlasten, wie regierungsseitig vorgegeben wird. Unklar bleibt zudem, wie beim Vorliegen einer besonderen Härte im Einzelfall Ausnahmen ermöglicht werden sollen. Der jetzige Schritt der Landesregierung birgt in sich darüber hinaus die Konsequenz, fremdenfeindliche Ressentiments weiter zu stärken, auch das ist verantwortungslos. Wer immer gegen Flüchtlinge und Asylsuchende hetzt, kann sich durch diesen jüngsten Schritt der Landesregierung nur bestätigt fühlen.“
Der Erlaß wird für die Betroffenen vorallem eins heissen: noch mehr Unsicherheit, noch mehr Angst vor einem plötzlichem heraus gerissen werden aus dem eigene Lebensumfeld und eine mit Gewalt durchgesetzte Reise in ein Land, in das die Menschen nicht zurück wollen, sei es das Herkunftsland oder ein anderer Dublin-Staat, wie Ungarn oder Bulgarien.
Das antirassistische Netzwerk Sachsen-Anhalt sieht in dem Erlaß auch eine Reaktion auf das Scheitern der Dublin-Verordnung und dem Widerstand gegen sogenannte Dublin- Abschiebungen durch die Geflüchteten und UnterstützerInnen. Auch in Sachsen-Anhalt konnten in den letzten Jahren durch Unterstützung von Initiativen, Einzelpersonen und Kirchengemeinden eine große Zahl von Abschiebungen erfolgreich verhindert werden. Dieser solidarischen Praxis soll nun ein Ende gesetzt werden.
Darüber hinaus kann die neue Richtlinie aber auch als ein Versuch gewertet werden, die eigene Unfähigkeit bei der Versorgung und Unterbringung von Schutzsuchenden, zu verschleiern. Trotz der allseits bekannten politischen Lage in z.B. Syrien und der hohen Prognosen für das Jahr 2015, wurden keine ausreichenden Vorbereitungen seitens das Landes und der Landkreise getroffen, um auf die Situation adäquat vorbereitet zu sein. Die Überbelegung in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften ist somit ein gutes Stück durch die zuständigen Behörden selbstverschuldet. Dies aber als humanitäre Krise, verursacht durch die Flüchtlinge, zu verkaufen, verdreht nicht nur Tatsachen, sondern schürrt einmal mehr rassistische Resentiments.
Antirassistisches Netzwerk LSA