Das deutsche Asylgesetz – Eine Geschichte der Ablehnung und Ausgrenzung
Kampagnen-Jingle auf Französisch
Die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl und die damit einhergehende Entrechtung von Geflüchteten hat in Deutschland bereits seit den 1970er Jahren eine lange Tradition. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Entwicklungen und Veränderungen des Asylrechts in Deutschland gegeben werden.
Rund eine halbe Million Flüchtlinge aus Deutschland suchten in den 1930er und 40er Jahren in mehr als 80 Staaten Schutz vor der faschistischen Diktatur Nazideutschlands. Dazu kamen nach Ende des Zweiten Weltkrieges rund 14 Millionen Flüchtlinge aus den ehemaligen „Ostgebieten“ und mehrere Millionen „Displaced Persons“, die in Deutschland Schutz suchten. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg räumte 1948/49 der parlamentarische Rat jedem Menschen, der vor politischer Verfolgung nach Deutschland floh, ein Recht auf Asyl ein. Das Recht auf politisches Asyl wurde im Artikel 16 des Grundgesetzes festgeschrieben.
In den 1970er Jahren beantragte erstmals eine größere Zahl an Geflüchteten, vor allem aus Asien und Afrika, Asyl in Deutschland. Es kam das erste Mal seit der Einführung des Grundrechtes auf Asyl zu Engpässen bei der Aufnahmekapazität in den Aufnahmestellen für Geflüchtete.
Im Zuge dessen kamen die ersten Bestrebungen auf, dass Asylrecht zu beschränken. Da das Grundrecht nur mit einer zweidrittel Mehrheit geändert werden kann, beschränkten sich die Restriktionen vorerst auf das Asylverfahren an sich. So wurde versucht, dass Asylverfahren zu beschleunigen, den Grenzübertritt in die BRD zu erschweren, die Kriterien für das Recht auf Asyl zu verschärfen, abgelehnte Geflüchtete schneller abzuschieben und die Lebensumstände dieser zu verschlechtern. Ziel der Maßnahmen war es, eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Menschen, welche gezwungen sind ihre Herkunftsländer zu verlassen, zu erwirken. Ende der 1970er Jahre wurden die neuen restriktiven Verwaltungsvorschriften vom Bundesinnenministerium erlassen. Zwischen 1978 und 1980 wuchs dabei die Zahl der Asylanträge von 33 136 auf 107 818 an.
Als Nächstes wurde 1980 die Rechtswegegarantie mit dem sogenannten „Beschleunigungsgesetz“ aufgehoben. Dies hatte zur Folge, dass die Entscheidungsgewalt über Asylanträge den einzelnen Beamten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) übertragen und die Widerspruchsmöglichkeiten beseitigt wurden.
1982 wurde dann das Asylverfahrensgesetz eingeführt, welches Gerichtsverfahren beschleunigte und die Regelunterbringung in sogennanten „Gemeinschaftsunterkünften“, sowie die „Residenzpflicht“ einführte.
Ebenso wurde die medizinische Versorgung stark eingeschränkt. Geflüchtete hatten nunmehr keinen Rechtsanspruch auf ärztliche Behandlung oder Operationen. Ab 1986 galt für Geflüchtete dann ein fünfjähriges Arbeitsverbot. Zudem wurden die Regelungen für die Unterbringung in sogenannten „Gemeinschaftsunterkünften“ verschärft und die Anerkennung von Asylanträgen, die sich auf Notsituationen oder kriegerische Auseinandersetzungen beriefen, ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem wurden sogenannte „Visasperren“ eingerichtet, um zu verhindern, das Geflüchtete mit dem Flugzeug nach Deutschland einreisen konnten. 1987 wurde dann das Asylverfahrensgesetz völlig neu gefasst. Nun wurde z. B. die Androhung von Folter in dem jeweiligen Herkunftsländern der Menschen nicht mehr als Grund für die Anerkennung eines Asylantrags gewertet. Somit sank die Anerkennungsquote stark ab.
1990 erzwang das Bundesverwaltungsgericht allerdings, dass Folter wieder als Asylgrund zählt.
Der Höhepunkt der Beschneidung der Rechte von Geflüchteten bildete die Änderung des Grundgesetzes im Mai 1993. Zeitgleich mit den Pogromen in Rostock-Lichtenhagen und andernorts verabschiedeten CDU, CSU, FDP und SPD mit 521 gegen 132 Stimmen den sogenannten „Asylkompromiss“. Dem allgegenwärtigen Alltagsrassismus, der sich in den Jahren nach dem Ende der DDR mit dem deutsch-nationalen Wiedervereinigungstaumel ausgebreitet hatte, wurde damit eine gesetzliche Legitimation zugesprochen.
Die Konsequenzen des sogenannten „Asylkompromiss“ waren für die Betroffenen weitreichend. So wurde ab 1993 ein Großteil der Geflüchteten vom Asylverfahren ausgeschlossen. Es gab zwar nach wie vor den Grundsatz, dass „politisch Verfolgte Asylrecht genießen“, anderseits wurden massive Einschränkungen eingeführt. Auch fanden 1993 Einschnitte im Asylbewerberleistungsgesetz statt. Es wurde eingeführt, dass Geflüchteten nur noch 80% von den Sozialleistungen zustehen, welche deutsche Leistungsempfänger beziehen. Sie erhielten außerdem erst dann einen Arbeitsplatz, wenn dieser nicht von einem deutschen oder einem Unionsbürger besetzt werden kann.
Zeitgleich setzte eine Angleichung der Flüchtlingspolitik in den einzelnen EU-Staaten ein. Mit dem Abkommen von Schengen und weiteren Verträgen auf EU-Ebene wurde die Grundlage für das gesamteuropäische Grenz- und Migrationsregime geschaffen, das sich insbesondere durch eine massive Abschottung nach Außen, einer Ausweitung von Kontrolle und Überwachung und der stetigen Vorverlagerung der Außengrenzen profiliert. Eine der EU-Regelungen ist die sogenannte „Drittstaatenregelung“, die 1997 mit dem Abkommen von Dublin (Dublin I) in Kraft getreten ist. Diese besagt, dass Geflüchtete, die aus „sicheren“ Drittstaaten kommen, sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen können. Gleichzeitig wurden alle umliegenden Länder rund um Deutschland als „sichere“ Drittstaaten benannt. Somit können Menschen, welche Deutschland auf dem Landweg erreichen in die umliegenden Staaten zurückgeschoben werden, wo sie ihren Asylantrag stellen müssen. Wer auf dem Luftweg Deutschland erreicht, kann seitdem auf den Flughäfen festgehalten, und dort für sogenannte „verkürzte Verfahren“ untergebracht werden. Die Einführung des sogenannten „Dublin II“ Gesetzes 2003 legte fest, dass grundsätzlich das Land für den Asylantrag zuständig ist, welches Geflüchtete in der EU zuerst betreten (“Verursacherprinzip”). Aktuell wird die Dublin III-Reglung angewandt.
Im Juni 2013 hat das Europäische Parlament neue Vorschriften für ein gemeinsames europäisches Asylsystem herausgegeben.
Seit 2013 kommt es in Deutschland wieder zu massiven rassistischen Protesten und Übergriffen auf Unterkünfte, in den Geflüchtete leben. Im Frühjahr 2015 steht nun die Einführung neuer Verschärfungen des Rechts auf Asyl und Einschränkungen für schutzsuchende Menschen bevor. Das aktuelle Szenario lässt durchaus Paraellen zur Situation 1993 erkennen. Einmal mehr stellt sich die Frage, in welcher Wechselwirkung alltäglicher und parlamentarisch legitimierter Rassismus sich gegenseitig beeinflussen und miteinander wirkmächtig werden.
Die schon weitgehende Entrechtung der Geflüchteten soll mit den anstehenden Einschränkungen weiter vorangetrieben werden. Ausgrenzung, Abschottung und Abschiebung haben in Deutschland eine lange Tradition, welche sich fortsetzen wird bis das Recht auf Asyl so eingeschränkt ist, dass es faktisch nicht mehr existiert. Es braucht Widerstand und Protest um diese Tradition zu brechen und grenzenlose Solidarität aufzubauen.
Es gilt damals wie heute: Alle Menschen sollten das Recht haben zu leben, wo auch immer sie wollen.
Die Forderung muss deshalb lauten:Für ein universelles Bleiberecht, gegen Asylgesetze, welche auf Abschottung und Ausgrenzung aufbauen und in denen Stück für Stück die Rechte der Menschen beschnitten werden.
Beteiligt euch aktiv an der Kampagne gegen die Einführung des neuen Asylgesetzes!