Das Urteil stand schon vorher fest: Ahmed H. bleibt für das ungarische Regime ein Terrorist
Bericht vom Grundrechtekomitee
Ungarn behält seinen Terroristen. Am 14. März 2018 wurde in Szeged das Urteil gegen Ahmed H. aus dem voran gegangenen Prozess bestätigt. Der feine Unterschied: Statt zu zehn Jahren Haft wurde er nun zu sieben Jahren verurteilt.
Die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung wurden vormittags gehalten, das Urteil folgte überraschenderweise bereits nach der Mittagspause. Das Urteil fällt in der Hochphase des Wahlkampfs für die Parlamentswahl am 8. April und einen Tag vor dem ungarischen Nationalfeiertag. Der Richter hatte sich offenbar entschieden, seine Karriere nicht aufs Spiel zu setzen, indem er in der Urteilsbegründung in großen Teilen der Anklage folgte. Seine zum Abschluss verlesene ausführliche Begründung berücksichtigte die Argumente von Ahmed H.’s Verteidiger nicht. Die geringere Strafe kam zustande, da Ahmed H. nachweislich die wütende Menge versucht hatte zu beruhigen und ein Ultimatum an die Polizei nicht belegt werden konnte.
Die Verteidigung hatte hervorgehoben, der syrische Mann habe seine Familie auf der Flucht über von der Türkei über die Balkanroute begleiten wollen und am Grenzübergang Röszke – wie viele andere auch – gehofft, das Grenztor zwischen Serbien und Ungarn würde nicht endgültig geschlossen bleiben. Emotionale Reaktionen Ahmed H.s und anderer Menschen waren der angespannten Situation am 16.9.2015 geschuldet, Ahmed selbst sei keinerlei Aggression gegen die Polizei nachzuweisen.
Der Staatsanwalt hatte im Gegenteil betont, sein Fokus liege ausschließlich auf dem „Terrorakt“. Der gesamte Kontext – also der Grund für die Anwesenheit Ahmed H.s und seiner Familie an der Grenze zähle nicht. Weder galt für ihn die Not, in der die Menschen am Grenzübergang Röszke nach langer Reise nun festsaßen, noch die zurückliegenden Strapazen ihrer Flucht nach Europa; weder die aufgeladene Situation an der Grenze, noch die Polizeigewalt gegenüber den Wartenden. Die Polizeibeamt*innen hatten seiner Ansicht nach in der gesamten Situation stets richtig gehandelt, diese zu provozieren, sei die eigentliche Absicht Ahmed H.s in Röszke gewesen. Sein Ziel, (illegal) Ungarn zu durchqueren, sei in allen seinen „Taten“ ablesbar gewesen.
Ahmed H.s Anwalt Peter Barandy machte in seinem Plädoyer zu Beginn deutlich, dass der Fall rein juristisch beurteilt werden müsse und Politik außen vor bleiben sollte. Seine Strategie ist nicht aufgegangen, wie das harte Urteil zeigt. Richtiger wäre gewesen zu benennen, was sich gestern in Szeged abspielte: Es handelt sich um einen politischen Schauprozess, in dem das Urteil bereits feststand, noch bevor die Plädoyers gesprochen worden waren.
Mit diesem Urteil behält Ungarn nun seinen Terroristen, der weiterhin für die rassistische Propaganda der Fidesz-Regierung eingesetzt wird. Derzeit steht ihre Wiederwahl am 8. April noch nicht fest. Ob eine andere Regierung die bisher in Ungarn geltenden Maßnahmen der Flüchtlingsabwehr – geschlossene Lager in der Transitzone für sämtliche Asylbewerber*innen, legale Pushbacks aus ganz Ungarn zurück nach Serbien, oder der zweifache Grenzzaun, geschützt von Frontex und speziellen „Grenzjägern“, – zurücknehmen wird, darf bezweifelt werden.
Britta Rabe, Szeged, 15.3.2018