Seehofer-Erdogan: Geheimverhandlungen über 2. schmutzigen Deal


von ffm
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan will 3 Millionen syrische Geflüchtete, sogar syrische Geflüchtete der griechischen Ägäis-Inseln, in eine türkisch kontrollierte Sicherheitszone in Syrien deportieren. Die künftigen Lager in der Sicherheitszone und wohl auch die Massendeportation will er sich mit vielen Milliarden Euro von der EU, vor allem aus Deutschland, finanzieren lassen, wie es türkische Massenmedien am 19.09.2019 bekanntmachten. Derzeit laufen laut der Internetseite „Nordic Monitor“ Geheimverhandlungen mit Kanzlerin Angela Merkel, Innenminister Horst Seehofer und EU-Instanzen in Brüssel. Die Pläne erscheinen sehr unrealistisch. 3 Millionen Geflüchtete gegen ihren Willen und gegen das internationale Recht gewaltsam umzusiedeln, ist unvorstellbar. Hinzu kommen Widerstände aus den USA gegen eine türkische Sicherheitszone auf syrischem Boden. Das Gebiet ist kurdisch kontrolliert.
Tatsächlich haben die Überfahrten von Boat-people aus der Türkei auf griechische Inseln zugenommen, und die Überfüllung der Lager auf diesen Inseln wird in den kommenden Monaten zu einem ernsten Problem für die Abschottungsstrategie der EU werden. Zehntausende Geflüchtete müssten vor dem kommenden Winter auf das Festland gebracht werden, und damit gewönne die Balkanroute an Bedeutung.
Der Schreibtischtäter Gerald Knaus, der den schmutzigen Türkei-Deal konzipiert hat, schlägt in den vergangenen Wochen der deutschen Regierung und den Regierungen Griechenlands, Italiens und Spaniens vor, dass die Mittelmeerstaaten Asyl-Schnellverfahren in geschlossenen Lagern etablieren sollten. Auf der Grundlage sofortiger Asylablehnungen könnten Massenabschiebungen angelandeter Boat-people vorgenommen werden, so Knaus. Ein Pilotprojekt dieser Art läuft derzeit in Ceuta. Den 200 Zaunkletterern der letzten Wochen wurde nach Schnellverfahren mehrheitlich der Zugang zu einem Asylverfahren verweigert, ihnen droht die Sofortabschiebung durch den EU-Zaun nach Marokko. 50 Anwälte sind momentan mit der Sache Tag und Nacht befasst, um diesen Präzedenzfall zu verhindern.

Gerald Knaus selbst sieht die Realisierungschancen von Asylschnellverfahren in Spanien und vor allem in Griechenland skeptisch. Die Behördenvorgänge würden sich nicht so schnell rationalisieren lassen. In Griechenland sind zusätzliche Asylentscheider aus anderen EU-Staaten wegen miserabler Arbeitsbedingungen bereits wieder abgereist.
Der emsigen Suche nach neuen Abschottungsmöglichkeiten liegt vermutlich ein ganz anderer Faktor zugrunde. Die politischen Klassen der EU, der Türkei, Libyens, Algeriens und Marokkos befinden sich in tiefen Krisen.
In der Türkei gewinnt die politische Opposition an Stärke und macht die Geflüchtetenaufnahme zum Thema.
In der westlibyschen Küstenstadt Sabratha sind genau die Milizen, die die italienische ENI-Pipeline nach Sizilien bewachen und seit dem italienischen Innenminister Marco Minniti Geld für den Aufbau einer sogenannten libyschen Küstenwache und für die Push-Back-Aktionen erhalten, durch die Haftar-Truppen aufgerieben. Jetzt, wo die Chefs dieser Milizen umgekommen sind, bestätigt sich, dass es dieselben Namen sind, die die UNO und die EU auf ihre Terrorlisten gesetzt hatten. Sie hatten vor 2017 – dem Deal mit Italien – nicht nur den gewaltsamen Handel mit den Boat-people organisiert und diese aus den staatlich anerkannten Internierungslagern auf die Schlauchboote gebracht, sondern waren die wichtigste Anlaufstation für tunesische Dschihadisten, für den IS und andere Formationen.
In Algerien herrscht seit Februar 2019 eine zivile Rebellion mit wöchentlichen Massendemonstrationen in allen Städten.
In Marokko fürchtet sich das Regime vor der latent aufständischen Rif-Bevölkerung am Mittelmeer und vor einem Übergreifen der algerischen Unruhen.
Selbst die mörderische Diktatur am Nil, die als westlicher Stabilitätsanker der Region fungieren soll, könnte schnell ins Wanken geraten. Tausende demonstrierten – mit Zusammenstößen mit der Polizei – nach den freitäglichen Fußballspielen am Abend des 20.09.2019 durch viele ägyptische Städte und riefen Parolen gegen den Machthaber Abdel Fattah El-Sisi. Er hat nach Vorgaben des FMI die Austeritäts-Schraube immer weiter angezogen und zahlreiche Subventionen gekürzt oder gestrichen.
Kurzum, mit bürokratischer Logistik und Gewaltdeportationen wird die derzeitige Abschottungskrise der EU nicht „gelöst“ werden können. Es wird keine „Kontrollierten Zentren“ mit Asylschnellverfahren in den europäischen Mittelmeerstaaten geben, und auch keine Zielgegenden für Massendeportationen aus der EU heraus. Es ist anzunehmen, dass es bei der „europäischen Lösung“ bleiben wird: Dem beobachteten Ertrinkenlassen durch organisierte Verweigerung von Hilfe.