Push-Backs an EU-Grenzen: Menschenrechte außer Kraft


Große Kammer des Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verwirft Beschwerden gegen Spanien
13.2.2020 / von ECCHR
Im Jahr 2017 wurde Spanien vom EGMR für die sogenannten „heißen Abschiebungen“ verurteilt. Das Urteil, sowie die neue spanische Linksregierung, haben Hoffnungen geweckt, diese Praktiken ein für alle mal zu beenden.
Am 13.2.2020 hat das Das EGMR in Straßburg das Urteil gegen Spanien aufgehoben. Die Begründung lautet, die Migranten haben sich „durch den bewussten Versuch, durch den Zaun in Melilla einzureisen, selber in die illegale Situation gebracht.“
Der Rechtsstaat endet an den Grenzen Europas: N.D. und N.T.* gelangten am 13. August 2014 über die Grenzanlage bei Melilla nach Spanien. Doch wie mindestens 70 andere Menschen wurden die beiden festgenommen und umgehend nach Marokko „zurückgeschoben“ – ohne Verfahren oder eine Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Videos, Fotos und Zeugenaussagen belegen die kollektiven, brutalen und völkerrechtswidrigen Rückschiebungen (auch Push-Backs genannt). Dennoch hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg den Fall N.D. und N.T. gegen Spanien heute abgewiesen.
Anlass des Urteils waren die Individualbeschwerden gegen Spanien, die N.D. aus Mali und N.T. aus der Elfenbeinküste mit Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) im Februar 2015 eingereicht hatten. Es war das erste Verfahren vor dem EGMR zu Push-Backs an den Landgrenzen Europas.

„Statt Spanien für seine systematischen Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen, ignoriert der EGMR alle Berichte internationaler Menschenrechtsinstitutionen und -organisationen. Der EGMR verweigert Flüchtlingen und Migranten jedes Recht. Die Entscheidung ignoriert völlig die Realität an den europäischen Grenzen und insbesondere die Situation von Menschen aus Subsahara an der spanisch-marokkanischen Grenze. Andere Länder werden diese Entscheidung als Blankoscheck für brutale Push-Backs verstehen”, sagte Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR. „Der Fall von N.D. und N.T. ist keine Ausnahme, sondern entspricht genau Spaniens langjähriger Rückschiebepraxis an der Grenze zu Marokko. Diese dient inzwischen als Blaupause entlang der Grenzen Europas.”
Im Oktober 2017 hatte eine Kammer von sieben Richtern des EGMR Spanien verurteilt. Doch die Große Kammer wollte nun keine Verletzung gegen Artikel 4 des Vierten Zusatzprotokolls (Verbot der Kollektivausweisung) und Artikel 13 (Recht auf effektive Rechtsmittel) der Europäischen Menschenrechtskonvention feststellen.
Vor Gericht wurden die beiden Beschwerdeführenden von den ECCHR-Partneranwälten Carsten Gericke (Hamburg) und Gonzalo Boye (Madrid) vertreten. Boye erklärte: „Der EGMR akzeptierte nicht nur Spaniens Konzept einer gesetzlosen Grenzzone, sondern schuf auch eine neue Doktrin: Wer sich in eine ungesetzliche Situation begibt, unterliegt nicht dem Schutz der in der Konvention anerkannten Rechte.“
* Zum Schutz der Beschwerdeführenden werden nur die Initialen genannt.
Zeit -Artikel von 2017
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