Landkreis Wittenberg schiebt Flüchtling kurz nach einer Operation nach Belgien ab

Gemeinsame Pressemitteilung vom Refugee Comite Wittenberg / no lager halle / Antirassistisches Netzwerk Sachsen-Anhalt / Medinetz Halle
05.02.2015
In den frühen Morgenstunden des 05. Februar 2015 wurde der in Vockerode (Landkreis Wittenberg) lebende Abou Dayabou Mahamane unangekündigt von drei Polizeibeamten abgeholt und nach Belgien abgeschoben. Der Betroffene wurde erst Mitte Januar im Krankenhaus in Dessau am Bauch operiert. In den vergangenen Wochen war er regelmäßig bei seinem Arzt vorstellig, der die nötige medizinische Nachsorge nach der OP betreute. Die Nachsorge war zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht abgeschlossen, die Fäden an der Operationsnarbe nicht gezogen. Herr Mahamane litt unter starken Schmerzen, die ihn unter anderem daran hinderten, sich normal zu bewegen und längere Strecken zu laufen.
Der aus Niger stammende Herr Mahamane ist als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Da er aber zu erst in Belgien europäisches Territorium betreten hat, soll er dort gemäß der Dublin III Verordnung seinen Asylantrag stellen. Eine Prüfung seines Asylverfahren in Deutschland wird ihm auf Grundlage der Verordnung verwehrt.
Immer wieder mussten wir in den vergangenen Monaten beobachten, dass der Landkreis Wittenberg mit aller Härte versucht, sogenannte Dublin-Abschiebungen (nach z.B. Italien oder Belgien) durchzusetzen, ohne die betroffenen Menschen im Vorhinein über ihre „Rückführung“ zu informieren. Darüber hinaus sind uns Fälle bekannt, in denen sich die betroffenen Menschen zum Zeitpunkt der geplanten Abschiebung in stationärer Behandlung im Krankenhaus befanden, aber von der Ausländerbehörde im Nachhinein als untergetaucht eingestuft wurden. Auch ist es vorgekommen, dass die Ausländerbehörde anscheinend Krankenhausbescheinigungen nicht an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Halberstadt weitergereicht hat. Beides wirkt sich gravierend negativ auf die individuelle Situation der Flüchtlinge aus.
Herr Mahamane war ganz eindeutig nicht „Reisefähig“. Das Sozialamt in Wittenberg wusste über seine laufenden Behandlungen Bescheid, da sie diese genehmigen müssen. Es ist daher anzunehmen, dass auch die Ausländerbehörde über Herrn Mahamanes Zustand Kenntnis hatte.
Wir verurteilen entschieden das Vorgehen der zuständiger Behörden, die trotz des Wissens um den Gesundheitszustand Herrn Mahamanes eine körperlich und psychisch extrem belastende „Rückführung“ nach Belgien angeordnet und durchgeführt haben. Wir betrachten es als fahrlässig und völlig verantwortungslos gegenüber dem betroffenen Menschen und seiner Gesundheit.
Die Freunde von Herrn Mahamane können ihn seit der Abholung durch die Beamten nicht mehr telefonisch erreichen und wissen nicht, wo er sich aktuell aufhält. Sie sind in großer Sorge um ihn und seinen gesundheitlichen Zustand.