Rassistische Hetze und Gewalt in Deutschland sind kein Randphänomen – sondern Alltag!
Rede des Arbeitskreises Antirassismus Magdeburg anlässlich der Proteste gegen den Aufmarsch von MAGIDA in Magdeburg am 02.02.2015
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Während Magida jeden Montag ihre selbsternannten Sorgen und Ängste auf die Straße tragen, werden hier täglich in Magdeburg Geflüchtete und Migrant*innen beleidigt, bedroht und angegriffen. Nazis und Rassist*innen bekommen eine Plattform auf Bürger*innenversammlungen, wie in Olvenstedt, um ihr rassistisches Gedankengut zu propagieren und attackieren einen eritreischen Geflüchteten in der Straßenbahn. Nur ein Beispiel von vielen, das zeigt: Das Leben als Teil einer Minderheit ist in Deutschland lebensgefährlich.
Im vergangenen Jahr gab es nach Angaben von Pro Asyl, sowie der Amadeu-Antonio- Stiftung 153 Angriffe auf Geflüchtetenheime – davon 35 Brandanschläge. Das gesellschaftliche Klima in Deutschland wird sowohl für Geflüchtete und Immigrierte, als auch für ethnische und religiöse Minderheiten wie Roma und Romnja , Jüd*innen, Muslime und Muslimas zunehmend brenzlicher und sowohl Pegida, als auch Magida produzieren dieses Klima der Gewalt mit. Sie projizieren soziale Missstände, und persönliche Ängste vor sozialem Abstieg auf politische Institutionen und Geflüchtete. sie sprechen von denen da oben und treten dabei vor allem nach unten. Besonders muslimische Kriegsgeflüchtete sind derzeit die Projektionsfläche der rassistischen Unmutsäußerungen, denen stellvertretend für alle „vermeintlich Anderen und Fremden“, die Schuld der eigenen soizialen Lage zugeschrieben wird. Eine grundlegende Religions- und Gesellschaftskritik ist notwendig, aber zu behaupten, es finde in Europa oder Deutschland eine Islamisierung statt, ist eine glatte Lüge, die sich nur darauf stützt, dass eine ganze Gruppe von Menschen pauschal als rückschrittlich und gefährlich diffamiert wird. Ebenso die Unterstellung, die Mehrzahl der Geflüchteten käme nach Deutschland, um Sozialleistungen zu erhalten, ist eine zynische Verhöhnung des Schicksals vieler Menschen, die unter katastrophalen Umständen und Bedingungen migrieren.
Die von Pegida und damit auch von Magida ausgehende Gefahr besteht darin, dass Rassismus, Chauvinismus und Sozialdarwinismus weitere Bühnen erhalten und als legitime politische Position dargestellt werden können. Zudem ist das breite Spektrum der hier marschierenden Magida-Demonstrant*innen Teil neonazistischer Hooligan- oder Kameradschaftsszenen – dies zeigt, wie anschlussfähig die Bewegung an neonazistische Strukturen ist. Selbst wenn viele Menschen die Wut über die eigenen sozialen Verhältnisse zu den Pegida-Demonstrationen treibt, kann es nie eine Entschuldigung dafür geben, Minderheiten zum Sündenbock zu machen.
Vielleicht werden sich Pegida und ihre Ableger selbst zersetzten. Dennoch stehen 25000 Wutbürger*innen in der Geschichte fest. Ein Niedergang der Organisation kann daher nicht das Ziel sein, stattdessen sollte es doch darum gehen. rassistische und fremdenfeindliche Grundeinstellungen überall in der Bevölkerung sichtbar zu machen. Es muss darum gehen, die staatliche Abschiebepraxis zu skandalisieren. Pegida ist ein Paradebeispiel für Ablenkung und Verschiebung. Dominierende Medien und Politiker*innen lenken ab von der jüngst beschlossenen staatlich organsierten Asylrechtsverschärfung und sie verschieben die eigenen Rassismen und jede Fremdenfeindlichkeit auf diese Bewegung. Die Rassist*innen sind dann immer die anderen. Selbst die hiesige Presselandschaft, die mit ihrer „das boot ist voll“- Rhetorik dafür sorgt, dass Pegida nie die Argumente ausgehen, brüstet sich nun mit einem scheinbar antirassistischem Kurs. Deshalb darf auch sie nicht reflexhaft in Schutz genommen werden.
Und auch nicht nur CDU und AfD schlagen seit jeher in die gleichen Kerbe und sind sich doch nie zu fein, am rechten Rand nach Wähler*innenstimmen zu fischen. Zuerst werden rassistische Stimmungen in der Bevölkerung geschürt und wenn sich diese dann wie aktuell bei Pegida manifestieren, versucht man sie für eigene Zwecke zu nutzen oder im großen Stil von sich abzulenken. So wurde die faktische Abschaffung des Asylrechts 1993 gerade mit einer fremdenfeindlichen Stimmung begründet. Jene Fremdenfeindlichkeit, die schon damals als scheinbar normale Ängste und Sorgen durchgingen, die man ernstnehmen müsse.
Und genau davon sprach auch der Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg Lutz Trümper vor zwei Wochen hier auf diesem Platz. Ein Großteil der Argumente, die gegen Magida verwendet werden können, lassen sich dementsprechend getrost gegen ihn hervorbringen.
Es ist zum Beispiel auch seine Verwertungslogik, mit denen er die scheinbar nützlichen Geflüchteten von den weniger nützlichen trennt und letztlich aussortiert. In der Parteienlandschaft ist Herr Trümper in guter Gesellschaft. Von den Grünen bis zur AfD würden dieser Ansicht alle zustimmen, von den Arbeitgeberverbänden ganz zu schweigen. Da sind auch selbstgebastelte „Refugees-Welcome“-Plakate kein Alibi. Selbst kleinste Verbesserungen für Geflüchtete, wie die Aufhebung der Residenzpflicht und des Arbeitsverbotes werden scheinbar nur erreicht, wenn im gleichen Atemzug die Bedingungen verschärft und Abschiebungen beschleunigt werden. Sie nennen es dann wieder Kompromiss. Ein Begriff, den wir im Zuge der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl im Jahre 1993 nur allzu oft hören mussten. Hierbei von Heuchelei zu sprechen, ist das Mindeste.
Aber Herr Trümper geht noch weiter. In einer beispielosen Selbstverständlichkeit sprach er in seiner Rede dann noch von einer Existenzberechtigung aller „Rassen“. Allein schon von „Rassen“ zu reden ist menschenverachtend Herr Trümper! Noch unerträglicher war nur der Applaus im Anschluss seiner Rede.
Wenn sie davon sprechen, die Ängste und Sorgen der Magida-Teilnehmenden zu berücksichtigen, dann geben Sie all jenen eine Plattform, die die Sorgen und Ängste von all den Menschen mit Füßen treten, die hier nach Deutschland flüchten.
Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für IHRE Lebensgeschichten, für ihre Existenzängste, für ihre ständige Angst vor der meist sicheren Abschiebung, für all ihre unruhigen Nächte voller Angst vor Übergriffen, die in dieser Zeit wieder so stark steigt. und auch für die miserable Wohnsituation in den Lagern, die überfüllt sind und genau da platziert sind, wo sich ja keine*r an ihnen stört.
Was geflüchtete Menschen brauchen ist vor allem Schutz und Unterstützung – Schutz vor all jenen, die hier montags mit ihrem Aufmarsch die Gewalt gegen sie hervorbringen – und Unterstützung in allen Situationen, in denen sie die Polizei, die Politik und die Behörden staatlich organsisiert diskriminieren und abschieben.
Wir brauchen mehr Kritik an genau dem, was hier seit der faktischen Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl jeden Tag passiert. Lebensmittelgutscheine, angekündigte und unangekündigte Abschiebungen, eine miserable und menschenverachtende medizinische Versorgung, zentrale Lagerunterkünfte am Rande der Stadt und einem Klima des Hasses gegen alle, die sich ein sicheres und schönes Leben wünschen.
Wir alle haben die Verantwortung, uns gegen Menschenfeindlichkeit auf allen Ebenen klar zu positioniert und mit allen erforderlichen Mitteln dagegen zu kämpfen. Wer das nicht tut, macht sich zum*zur Mittäter*in zukünftiger Aggressionen und Gewaltätigkeiten gegen diskriminierte Gruppen in unserer Gesellschaft.
Kontakt unter: antiramd@riseup.net