Stellungnahme zur Begehung der GU Bernburg am 13. 11. 2012
Nach den Schlagzeilen vom Kakerlakenbefallenen, aus humanitären Gründen
nicht tragbaren Flüchtlingslager in Bernburg wurde die
Integrationsbeauftragte der Landesregierung Susi Möbbeck zu einem „Vor-
Ort- Termin“ veranlasst. Nachdem sie sich selbst von den „nicht zumutbaren
Bedingungen“ (Sören Herbst) überzeugte, sah sie sich im Zugzwang
schnellstmöglich eine ebenso wirksame „Gegenpresse“ zu schaffen. Dazu
setzte sie sich mit der ihr unterstellten LAMSA in Verbindung. Die LAMSA,
das „Landesnetzwerk Migrantenselbstorganisation Sachsen- Anhalt“, vertritt
das Konzept der sogenannten „Heimbeiräte“. Ein „Heimbeirat“ soll aus allen
„interessierten und motivierten“ Flüchtlingen des Lagers bestehen. Einige
Ziele des LAMSA und der Gedanke von Heimbeiräten enthalten:
* Vernetzung und Stärkung der vorhandenen Migrantenorganisationen
* Motivation zur Bildung und Unterstützung des Aufbaus weiterer
Migrantenorganisationen
* Schaffung von Verknüpfungen zwischen LAMSA und Institutionen
Das klingt im ersten Moment nicht schlecht. Nur dreht sich das Engagement
der LAMSA ausschließlich um die „Schritt für Schritt Verbesserung“
innerhalb des Lagerlebens.
Z.B. sollen regelmäßige Treffen des „Heimbeirates“ eine verbesserte
Kommunikation zwischen der Heimleiterin Karin Lucke und den Flüchtlingen
schaffen oder Strategien für die Bewältigung von religiösen/ kulturellen
Konflikten geschaffen werden etc. pp.
Die Position der dezentralen Unterbringung, welche die Mehrheit der in
Lagern lebenden Menschen vertritt, wird weder aufgegriffen noch bestärkt.
Das Zusammenpferchen vieler Menschen auf engstem Raum und das
Isolationsprinzip des Lagerlebens führen unweigerlich zu starken
psychischen Problemen und zu hygienischen Katastrophen, wie es auch die
Kakerlakenplage in Bernburg zeigt. Viele Probleme die durch solch einen
„Beirat“ gelöst werden sollen, entstehen erst durch das Konzept des
Lagersystems.
Zum 13.11.2012 verschickte der AWO Ortsverein ´Bernburg und Umgebung e.V.
´ 60 Einladungen an Abgeordnete des Stadtrats und des Kreistages für eine
-wie sich später herausstellte- geheim gehaltene Besichtigung des Lagers.
Weder die Presse, noch andere Strukturen der AWO Sachsen- Anhalt wurden
informiert, was AWO intern Erzürnung bezüglich der fehlenden Transparenz
der Ortsgruppe Bernburg hervorrief. „Zufälligerweise“ fiel die Gründung
des „Heimbeirates“ der LAMSA auch auf den 13.11.2012.
Die Begehung wurde erst öffentlich bekannt, als parallel dazu eine
Kundgebung von Flüchtlingen und Aktivist_innen vor dem Lager angemeldet
wurde.
Pünktlich zum Termin trugen alle Beteiligten rote AWO- Herzchen- Jacken.
Sogar der rassistische Hausmeister und die neu angestellten Securities,
welche sich vorerst als „Betreuer“ vorstellten, aber dann doch das
„Hausrecht“ der AWO durchsetzen sollten. Scheinbar wurde es der AWO dann
doch zu bunt bei so viel Trubel am selbst geplanten Vorzeigetermin.
16 Uhr trafen von 60 Eingeladenen ca. 10 Abgeordnete am Teichweg 6 ein.
Darunter unter anderem Vertreter_innen der Linken, SPD, Bündnis 90/Grüne
und der Vorstandsvorsitzender des AWO-Ortsvereins Jürgen Badzinski.
Besichtigt wurden die Gemeinschaftsküchen- und bäder, vereinzelt
„Privaträume“ und natürlich das Büro der Heimleitung. Flüchtlinge anderer
Lager in Sachsen- Anhalt und Aktivist_innen machten derweil draussen die
Position der dezentralen Unterbringung und die Zustände des Lagers durch
Redebeiträge und Informationsflyer deutlich.
Beim Verlassen des Lagers wurden die Abgeordneten nach ihren Eindrücken
befragt. Einschätzungen lauteten: „ Vor 10 Jahren war es hier schlimmer.“
und „Ich wusste bis vor kurzem nicht das dieses Heim existiert, aber Hilfe
ist im Anmarsch. Der erste Stein wurde durch den „Heimbeirat“ gesetzt.“
Flüchtlinge selbst kamen an diesem Tag nicht zu Wort, Flüchtlinge aus
anderen Lagern wurden vom „Heimbeirat“ ausgeschlossen, weil sie durch das
„Hausrecht“ nicht ins Lager kamen.
Zu erwähnen sei noch, dass der Vertrag der AWO für die Betreibung des
Heimes 2013 ausläuft. Es wird eine Verlängerungsoption für ein Jahr geben.
Wir fordern die AWO auf, sich aus dem dreckigen Geschäft mit Flüchtlingen
zurückzuziehen und sich für dezentrale Unterbringung einzusetzen!
Wir fordern den Kreistag auf, keine neuen Ausschreibungen für die
Lagerunterbringung zu machen!
Außerdem fordern wir die kommunalen Politiker_innen auf, sich mit den
Flüchtlingen und ihrer Lage auseinanderzusetzen und es in den Kontext der
generellen Flüchtlingspolitik zu stellen!
Gemeinschaftsunterkünfte schließen!!!
AK Antira, Magdeburg, 20. 11. 2012
Kontakt: antiramd@safe-mail.net