MZ Artikel zur Verlängerung des Vertrages in Friedersdorf
FRIEDERSDORF/MZ. Betroffenes Schweigen herrscht unter den Mitgliedern des
Sozial- und Gesundheitsausschusses des Kreistages bei der Begehung der
Gemeinschaftsunterkunft in Friedersdorf. „Zwar ist seit meinem letzten
Besuch neue Farbe an die Wände gekommen“, sagt Günter Herder (Die Linke),
der die Einrichtung bereits vor vier Wochen unangemeldet besucht hat. „Man
sieht aber nicht, wohin die halbe Millionen Euro, die der Landkreis für
die Unterbringung pro Jahr zur Verfügung stellt, fließt.“
Damit zielt Herder auf den verwahrlost anmutenden Zustand einiger
Wohnbereiche an. „Hier stehen teilweise Möbel, die selbst auf dem
Sperrmüll nichts mehr zu suchen hätten“, sagt die Ausschussvorsitzende
Dagmar Zoschke (Die Linke) nach der Begehung und meint: „Das ist kein
Aushängeschild für den Landkreis.“ Eine Einschätzung, die auch die
Sozialdezernentin Sabine Engst teilt. „Ich bin über das Erscheinungsbild
entsetzt. Hier steht das Billigste vom Billigen.“
Gegen diese Äußerungen verwahren sich Heimleitung und Betreiber
allerdings. Sie verweisen auf die – mittlerweile in drei Sprachen
aushängende – Hausordnung. „Wie es in den Zimmern aussieht, obliegt den
Bewohnern“, heißt es. Das bestätigt zwar Sozialamtsleiter Martin
Kriebisch. „Aber wenn es – so wie berichtet – in einigen Bereichen
durchregnet oder Duschen, Toiletten, Heizungen nicht so funktionieren, wie
sie funktionieren sollten, dann liegt es am Betreiber, diese Mängel
abzustellen.“
Dass aber zwischen diesem Ideal und der Wirklichkeit eine große Lücke zu
klaffen scheint, darauf macht auch noch einmal Oumarou Hamani Ousmann
aufmerksam. Seit zehn Jahren lebt der Man aus dem Niger bereits in der
Gemeinschaftsunterkunft in Friedersdorf und bemängelt neben dem baulichen
Zustand einiger Bereiche auch die veraltete und verschlissene Einrichtung.
All diese festgestellten Unzulänglichkeiten wolle man – so ein Antrag im
Ausschuss – in einem Protokoll festhalten und nun dem Betreiber zukommen
lassen. Inwieweit dies Einfluss auf die Bedingungen in der Friedersdorfer
Einrichtung haben wird, ist allerdings fraglich. Denn bereits am 19.
November hat der Vergabeausschuss des Landkreises getagt und einer
Vertragsverlängerung mit dem derzeitigen Betreiber, der zugleich
Eigentümer der Gemeinschaftsunterkunft ist, ab dem 1. Februar 2013 um ein
weiteres Jahr zugestimmt. Allerdings habe es hierbei keinen Wettbewerb
gegeben, da nur dieses eine Angebot vorlag.
Bereits hier werden mehrere Kritikpunkte sichtbar, denn noch bevor sich
der Sozialausschuss über die Bedingungen vor Ort informieren und
Empfehlungen aussprechen konnte, hat der Vergabeausschuss bereits einer
Verlängerung zugestimmt. Und: Aus Mangel an Alternativen musste man –
trotz aller bekannten Defizite – auf die vorhandene Unterkunft
zurückgreifen.
Dass sich die Situation vor Ort weiter verschärfen könnte, lassen auch die
steigenden Zahlen der Asylsuchenden vermuten. Ursprünglich war die
Unterkunft für 90 Personen ausgelegt. Bereits jetzt sind hier 145
untergebracht. Mittlerweile wurde die Ausschreibung auf 150 Personen
angepasst. Doch mit dem monatlichen Neuzugang von bis zu 15 Asylsuchenden
könnte sich die Zahl der hier lebenden Personen schnell auf 200
hochschrauben. Darauf hat sich der Betreiber nach eigenen Angaben bereits
eingestellt. Im Dezember wolle man mit der Aufstockung der Kapazitäten
beginnen. Beachtet man, dass jedem Asylsuchenden ab dem 1. Januar 2013
nicht mehr fünf, sondern sechs Quadratmeter zur Verfügung stehen, so
müssen neben den 1 200 Quadratmetern Wohnfläche auch die entsprechenden
sanitären Anlagen vorgehalten werden. Auch daher gebe es laut
Sozialamtsleiter Kriebisch in der Landkreisverwaltung Überlegungen, die
Unterbringung von Asylsuchenden in die eigene Hand zu nehmen. „Man könnte
einen Teil selbst organisieren oder eine geeignete Immobilie herrichten
und sich dann einen Betreiber suchen“, so die ersten Überlegungen.