[Merseburg] Hinter jeder Abschiebung steht ein Mensch

Demonstration am 09.03.21 – Ein Rückblick

Jedes Jahr, auch während der Coronakrise, werden tausende Menschen aus Deutschland in ihre oft nur vermeintlichen Herkunftsländer abgeschoben oder auf Grundlage des Dublin-Systems unter Zwang in ein anderes EU-Land verbracht.[1] Auch vom Flughafen Leipzig-Halle werden jährlich hunderte Menschen ausgeflogen.[2] Dabei handelt es sich um Menschen, die hier Zuflucht vor Krieg, Verfolgung, Umweltkatastrophen, Hunger oder unerträglicher Armut suchen. Sie werden nachts aus ihren Betten gezerrt, bei Terminen auf der Ausländerbehörde verschleppt. Kinder werden auch am hellichten Tag aus der Schule geholt. Teilweise ohne gültige Ausweisdokumente, ohne Handy oder Gepäck werden sie ins Flugzeug gesetzt und in ihr „Heimatland“ deportiert, zu angeblichen Verwandten gebracht und schließlich sich und ihrem Schicksal überlassen.

Deportationen – sind und bleiben deutsche Traditionen. Während sich die politische Öffentlichkeit seit einem Jahr nur noch um den befürchteten wirtschaftlichen Schaden durch die Coronakrise dreht, wird weiter auf Hochtouren abgeschoben. Auch im Saalekreis müssen junge Menschen, die hier versuchen Fuß zu fassen, täglich mit der Angst leben, eines Tages verhaftet und abgeschoben zu werden. Schuld daran haben nicht nur Politiker:innen, die diese Entscheidungen aktiv treffen, sondern auch jene, die sie tolerieren und nichts dagegen unternehmen.

Die Verantwortlichen wurden am vergangenen Dienstag, den 9. März 2021, addressiert: in einer spontanen Demonstration trugen etwa 20 Personen ihre Wut anklagend auf die Straße. Um 15 Uhr startete die Versammlung auf dem Merseburger Entenplan und postierte sich vor dem dortigen SPD-Parteibüro. Auch die sozialdemokratische Partei toleriert Abschiebungen, anstatt geflüchteten Menschen hier im Saalekreis wirksam Sicherheit zu gewähren. Der kleine, aber laute Demonstrationszug machte anschließend vor dem Parteibüro der CDU Halt. Die „christlich-demokratische“ Union verantwortet mit ihrer Identitäts- und Heimatpolitik die grausamen Abschiebungen aus Deutschland. Sie nimmt bewusst in Kauf, dass z.B. Familien getrennt werden, Menschen Schaden an Leib und Seele erleiden oder gar ihre „Rückkehr“ mit dem Tod bezahlen. Und das alles um vermeintlich besorgte Bürger:innen zu hofieren und Wähler:innenstimmen zu sammeln. Einzige Reaktion aus dem CDU-Büro war ein aus dem Fenster gerufenes, empörtes „Das ist Sachbeschädigung!“, als eine Person mit abwaschbarem Kreidespray „Kein Mensch ist illegal“ auf den Weg vor der Eingangstür sprühte. Ein Anwohner applaudierte den politischen Forderungen der Demonstration zustimmend, andere der an diesem sonnigen Tag zahlreichen Passant:innen reagierten gleichgültig, manchmal neugierig. Zu Anfeindungen oder Polizeibelästigung kam es nicht.
Letzte Station der mit Bannern bestückten Demonstration war das Grünen-Büro am Bahnhof Merseburg. Denn auch wenn sich die Grünen gerne sozial und gerecht geben, so sind auch sie mitverantwortlich für die Abschiebungen. Sie tragen die Abschiebepraxis mit, um politisch koalieren zu können. Diese Mitschuld klagte die Demonstration an. Nach einer knappen halben Stunde löste sich die spontane Versammlung wieder auf. Zurück blieben Plakate und Texte an den Fensterscheiben der Verantwortlichen.

Grenzen töten. Abschiebungen sind rassistische Gewalt. Geflüchtete werden auf deutschen Behörden schikaniert und allein gelassen. Deshalb muss unser Widerstand antinational, antirassistisch und solidarisch mit den Betroffenen sein. Die Abschiebungen aus Deutschland müssen JETZT enden.

#leavenoonebehind #stopdeportation

[1] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/270/1927007.pdf#page=2

[2] https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=16257&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=1&dok_id=undefined

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Interview auf Radio Corax anhören

Berichterstattung auf twitter von @mer_radikal zur Demo

Beitrag der Grünen im Saalekreis zum Jahrestag der Abschiebung von Waheed.

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