[Kroatien] Kurzbericht aus Opatovac

Hinweis: Geld und Sachspenden sind weiterhin gesucht. Letztere können bei in Halle bei Radiocorax abgegeben werden. Aus Halle wird Ende der Woche noch ein Auto aufbrechen. Was gebraucht wird und Kontodaten stehen hier, aktuelle Infos gibt es auf Twitter.

22.09.2015 Stand: 15:00h

Wir kommen gegen 4h morgens im Camp in Opatovac (serbisch-kroatischesGrenzgebiet, kroatische Seite) an. Eine organisierte Versorgungsstruktur gibt es nicht (außer ein paar Dixis und ganz wenigen Zelten), obwohl unablässig fast im Minutentakt total erschöpfte und unterkühlte Menschen ankommen. Als wir unsere mitgebrachten Güter verteilen wollen, werden wir fast überrannt. Die Menschen streiten sich in ihrer Verzweiflung um die viel zu wenigen Decken und Lebensmittel, die wir dabei haben. Wir sind überfordert, würden gerne allen etwas geben, und müssen doch viele enttäuschte und verzweifelte Gesichter zurück lassen. Die einigen wenigen anderen Unterstützer_innen vor Ort, lassen ihre komplett voll bepackten Autos – zumindest so lange wir da sind – verschlossen, geben keine Sachen heraus. Die Gründe dafür erfragen wir nicht; nachdem wir alle Decken und den Großteil der Lebensmittel verteilt haben, verlassen wir das Camp und entschließen, den Rest noch an die Menschen, die noch zu Fuß unterwegs sind, zu verteilen.
So bis 7:00h sind wir bis in den Morgen hinein noch unterwegs und versuchen Menschen zumindest mit ein paar wenigen Lebensmitteln zu versorgen. Dabei sehen wir viele Menschen, die sich kaum noch auf den Beinen halten können. Sie tragen all ihre Habseligkeiten bei sich, manche lassen vor Erschöpfung sogar ihre Taschen zurück und tragen nur noch sich selbst. Die Landstraße zum Camp zieht sich für die sicherlich übermüdeten und mangelernährten Menschen ewig hin. Immer wieder werden wir gefragt, wie lange es noch sei. Von dem Ankunftsort der Busse an der Grenze bis nach Opatovac sind es Berichten zufolge so 8-20km.
Als wir um 13h wiederkommen, stehen viele Autos da, viel internationale Presse auch. Von 35.000 Flüchtlingen, die in den letzten Tagen in Kroatien unterwegs gewesen seien ist die Rede. Der Versorgungsbereich des Camps ist durch Polizei abgesperrt und wird wohl gerade erst aufgebaut. Allerdings haben die Menschen (inzwischen so 700) immer noch keinen Zutritt. Alle warten darauf endlich hineinzukommen, immer wieder heißt es ‚gleich, gleich‘. Alle stehen Schlange, immer noch kommen Menschen zum Camp hinzu. So ab 14:30h werden die Menschen endlich in Schüben in den Versorgungsbereich gelassen. Der Zutritt ist an die Registrierung gekoppelt, es zieht sich unglaublich lange hin. Wir versorgen die Menschen, die noch davor warten, mit Medikamenten, Hygieneartikeln und Sonnencreme. Vor allem durch das viele Laufen (in oftmals komplett kaputten Schuhfetzen) gibt es viele offene Wunden. Die großen Organisationen vor Ort – Rotes Kreuz und UNHCR – scheinen überfordert. Ein Mensch vom UNHCR bittet uns weitere Lebensmittel und vor allem Getränke zu kaufen, obwohl direkt hinter dem Zaun zum Versorgungsbereich große Wassertanks stehen. Zuständigkeiten scheinen sehr unklar und uns bleibt die Frage, wieso nicht mal solche großen Organisationen wie UNHCR Möglichkeiten zu haben scheinen hier die Grundversorgung zu gewährleisten…
Auch hier ist die generelle Informationslage schwierig. Wohin geht es für die Menschen danach? Es gibt Gerüchte laut denen sie nach Ungarn gebracht werden sollen, aber so ganz sicher kann sich hier in dieser unübersichtlichen Situation wohl niemand sein.
Noch so eine Erfahrung: Gestern Nacht sind wir zunächst direkt an den Grenzübergang in Tovarnik gefahren. Dort hat man uns nicht durchlassen wollen. Erst nach einem Anruf mit einem serbisch sprechenden Freund, der gesagt hat, dass wir wirklich nur Helfer sind, und einer mittelgroßen Szene und zur Schau gestellter Sturheit von unserer Seite, wurden wir durchgelassen. An der Grenze selbst haben wir dann Schlafsäcke an Rot-Kreuz-Mitarbeiter weitergegeben und haben von einem RK-Mann den Tipp mit dem Camp bekommen, dessen Bericht dieses hier ist. Also: Stur bleiben, Bullen nerven, Mischung aus Freundlichkeit und Beharrlichkeit hat ein bisschen gefunzt.
Bisher sind wir, soweit wir das eben überblicken konnten, die einzigen „Volunteers“ hier auf kroatischer Seite.