Eine eigene Wohnung – für viele unmöglich

Eine Auswahl von Beispielen aus Halle.

Auch «dezentrale Unterbringung» hat ihre Tücken: Gegenüber den Wohnungsgesellschaften und einzelnen VermieterInnen sitzen Migranten und Geflüchtete, die über kein eigenes Einkommen verfügen und einen prekären Aufenthaltsstatus haben, am kürzeren Hebel. Zahlreiche Einzelbeispiele bezeugen die Schwierigkeiten, ja die Unmöglichkeit dieser Menschen, eine Wohnung ihrer Wahl zu finden. Bei der Forderung nach «dezentraler Unterbringung» und bei deren Umsetzung muss dies berücksichtigt werden.
Hier eine Auswahl von Problemen, die bei der Wohnungssuche für Geflüchtete in Halle entstehen:

  • In der Vergangenheit haben MitarbeiterInnen der Halleschen Wohnungsgesellschaft Umzugswünsche in Frage gestellt, etwa mit der Aussage, dass es «keine Nazis mehr in der Silberhöhe» gebe. In einem anderen Fall wurde ein HWG-interner Umzug schlicht verweigert.
  • Bei verschiedenen Vermietern (IWG, GWG Halle-Neustadt u.a.), welche kautionsfreie Wohnungen anbieten, brauchen MieterInnen eine Mindestgültigkeitsdauer des Aufenthaltsdokumentes, um überhaupt mieten zu dürfen. Bei der GWG sind dies sechs Monate, bei der IWG sogar zwei Jahre. Eine Duldung kann jedoch nur für wenige Monate verlängert werden.
  • Aufgrund dieser Schwierigkeiten, und weil die beliebteren Stadtviertel weniger durch die großen Gesellschaften abgedeckt sind, bleibt oft nur die Suche nach einem privaten Vermieter, zumal diese nicht nach der Dauer der Aufenthaltsgestattung fragen. Private VermieterInnen verlangen aber nach einer Kaution von oft mehreren hundert Euro – die vom Sozialamt und dem Jobcenter nicht übernommen wird.
  • Im halleschen Sozialamt ist ein Angestellter für die Vergabe von Wohnungen zuständig. «Zuständig» ist dieser Angestellte im absoluten Sinne: Er sucht zwar Wohnungen für Geflüchtete, dabei haben diese aber offenbar kein Mitspracherecht über den Ort und dürfen sich die Wohnung vorher nicht ansehen. Lediglich ein «Ja» oder «Nein» zu der vorgeschlagenen Wohnung bleibt als Handlungsoption. Anders als bei einem Makler wird aber anscheinend keine Alternative vorgeschlagen; mit einem «Nein» zu einer solchen Katze im Sack ist somit auch die Möglichkeit, überhaupt eine Wohnung zugeteilt zu bekommen, verwirkt.
  • Uns wird berichtet, dass Geflüchteten, die bisher im Heim wohnten, ohne ihr Wissen Wohnungen zugeteilt werden. Sie erfahren bis zu ihrem Umzug nicht, wohin. Sie werden nicht im Vorhinein benachrichtigt, sondern sprichwörtlich verfrachtet.
  • Die GWG gab vor einigen Wochen die Auskunft, dass sie an Menschen mit Duldung und alleinstehende Menschen mit Aufenthaltsgestattung grundsätzlich keine Wohnungen mehr vermietet.

Es muss bei der Forderung nach «dezentraler Unterbringung» also um mehr gehen. Jede Person muss in der Lage sein, ihren Wohnort und ihre Wohnung selbst wählen zu dürfen. Aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. von Klassenunterschieden stößt diese Forderung für uns alle an ihre Grenzen; für Geflüchtete ist die Suche nach einer Wohnung jedoch ein Spießrutenlauf besonderen Ausmaßes, der von hausgemachten Faktoren der Bürokratie und der Beschaffenheit des Wohnungsmarktes hier vor Ort bestimmt wird. Ergänzt werden die bürokratischen Hürden und Diskriminierungen leider oft durch Rassismus bei den Behörden und bei den VermieterInnen. Eine bloße «Erlaubnis», eine eigene Wohung beziehen zu dürfen, reicht also nicht aus, um dies zu verwirklichen. Wir fordern von der Stadt Halle, die Erlaubnis um nötige Unterstützungsmaßnahmen zu ergänzen, so dass selbstbestimmte, dezentrale Unterbringung tatsächlich möglich wird.
No lager, 18. September 2015
no-lager-halle.org