[Corona] Entmündigung trifft auf Widerspruch
Benneckenstein, 26.4.2020
Am vergangenen Freitag erreichten uns eine Reihe von Botschaften von Geflüchteten, die Ende der Woche aus der ZAST in Halberstadt bzw. Quedlinburg in eine Gemeinschaftsunterbringung in Benneckenstein im Harz gebracht wurden. Sie sind von Freitag auf Samstag in einen nächtlichen Streik getreten und haben die Nacht bei Minuasgraden draußen verbracht. Mit dem Protest und der Verweigerung in das Gebäude zu gehen, setzten sie sich dem Umgang durch die Behörden und Verantwortlichen und der daraus resultierenden unübersichtlichen Situation zur Wehr. Diese hat sich für die Betroffenen seit Ausbruch der Coronapandemie dahin entwickelt, dass sie sich, noch mehr als sonst schon, eingesperrt und entmündigt fühlen. Darüber hinaus beobachten wir immer wieder, dass es kaum Informationen und eine vernünftige Sprachmittlung mit den betroffenen Menschen (in ihrer Muttersprache) gibt. „Wo werden wir hingebracht? Bleiben wir hier für immer? Sollen wir hier drei Wochen lang bleiben? Oder sollen wir hier länger als drei Wochen bleiben? Das ist, was wir wissen wollen.“
Der Plan des Landesverwaltungsamts zum Umgang mit dem Ausbruch von Corona in der ZASt, den sich Bürokraten erdacht haben und der bis auf die Unterbringungsfrage alle anderen menschlichen Bedürfnisse vernachlässigt, ist am Wochenende auf den Faktor Mensch getroffen. Die Geflüchteten haben sich in diesem ganzen Chaos selbst ermächtigt und deutlich gemacht, wie sehr sie unter den Bedingungen aktuell leiden und dass sie nicht gewillt sind, alles mit sich geschehen lassen.
Wir schließen uns einmal mehr ihrer Forderung nach einem Leben und Wohnen in Würde an, an einem Ort, der Sichheit und in einer Wohnung, die Rückzug, Privatsphäre und ein Zuhause bietet, an!
Botschaft einer Frau in Benneckenstein, 24.4.2020:
„Ich spreche zur deutschen Bevölkerung und der ganzen EU. Wir sind aus dem Camp in Halberstadt gekommen. Seit einem Monat sind wir in Quarantäne. Es wurde uns gesagt, dass wir positiv getestet wurden, aber die Dokumente oder irgendetwas darüber wurden uns nicht gezeigt. Wir waren eine Woche in einem Container, zu fünft mit Babys, dort haben wir eine ganze Woche verbracht ohne einmal etwas warmes zu essen. Wir wurden wie Tiere gefüttert. Dann wurden wir nach Quedlinburg geschickt. Nach Quedlinburg kommt ihr in ein Heim wurde uns gesagt. Wir waren drei Tage in Quedlinburg ohne überhaupt etwas zu essen! Erst als wir in einen Streik traten, kam Essen aber eine Küche gab es trotzdem nicht. Wir haben zwei Babies, ein Kind und eine schwangere Frau. Am Ende der Quarantäne sollten wir verlegt werden. Die erste Gruppe wurde in’s Heim gebracht, dann die zweite. Dann gab es irgendwelche Probleme, uns wurde gesagt, dass wir warten sollen. Wir haben von morgens bis fünfzehn Uhr draußen gewartet. Um fünfzehn Uhr kam ein Auto aber es war nicht das gleiche, wie das, in dem die ersten Personen weggefahren sind. Die hatten Dokumente, die bestätigten, dass sie positiv getestet wurden. Diese Quarantäne ist psychologisch ein riesiger Druck, heute essen wir seit einem Monat schlecht. Ich hoffe dass wir nach all diesem Leid, endlich in Häusern wohnen dürfen. Dieses Haus gibt uns keine Sicherheit, wir haben nichts zu trinken und jetzt wurde uns gesagt, dass wir zwischen drei und vier monaten hier bleiben müssen. Das geht nicht! Ich weiß nicht wie das gehen soll! Den Babies zuliebe. Es ist unerklärlich. Das ist was ich zu sagen habe danke!“
Weiteres Interview mit einem Geflüchteten