Landkreis Wittenberg: Konkurrenzkampf zwischen Ausländerbehörde und Sozialamt

Die Ausländerbehörde in Wittenberg verfolgt seit Jahren eine Politik systematischer Repression und eine Linie der Kompromisslosigkeit gegenüber Flüchtlingen, obwohl viele der Flüchtlinge bereitwillig mit ihr zusammenarbeiten. Leider wird diese Nulltoleranzstrategie anscheinend von vielen Verantwortlichen im Landkreis Wittenberg befürwortet: Auch das Sozialamt orientiert sich inzwischen daran. Vor drei Monaten kamen Mitarbeiter der Ausländerbehörde in Begleitung der Polizei und eines Mitarbeiters des Sozialamts Wittenberg (dessen Aufgabe offiziell „Flüchtlingsbetreuung“ lautet) nach Vockerode, um einen Flüchtling zum Zweck seiner Abschiebung festzunehmen. Der Flüchtling war krank, Ärzte hatten Bluthochdruck in Folge einer Herzerkrankung festgestellt. Er glaubte an die Bibel und nahm an Bibelkreisen teil oder organisierte sie selbst. Wegen des Terrors der islamistischen Boko Haram gegen die christliche Bevölkerung Nigerias hatte er vorgehabt, seine Frau und seine Kinder ins benachbarte Kamerun zu schicken. Nach mehr als zehn Jahren in Deutschland hat am Schluss die Intoleranz gewonnen: Der Flüchtling wurde nach Nigeria abgeschoben. Sein Leben und das seiner Familie sind dort jederzeit in Gefahr.
Einige junge Flüchtlinge aus Vockerode, die hoch motiviert sind, Deutsch zu lernen, haben sich in Dessau zu Sprachkursen angemeldet. Die zehn Kilometer zwischen Dessau und Vockerode überwinden einige mit dem Bus (das Monatsticket kostet 46 Euro), andere fahren mit dem Fahrrad. Die Kurse sind natürlich nicht kostenlos. Um die Kosten für dieses Unterfangen, das alle Unterstützung verdient, zu senken, braucht die Sprachschule von den Teilnehmenden einen Sozialpass. Als die Flüchtlinge dem Sozialamt in Dessau von ihren Plänen berichteten, waren die Reaktionen positiv. Inzwischen sind vier Monate vergangen seitdem die Flüchtlinge das Sozialamt in Wittenberg um einen Sozialpass gebeten haben. Sie warten immer noch darauf.
Im Landkreis Wittenberg wird das gesamte Ausländerrecht immer wörtlich und kompromisslos zum Nachteil der Flüchtlinge ausgelegt. Selbst nach kurzen Krankenhausaufenthalten von 2 – 6 Tagen bekommen Flüchtlinge vom Sozialamt einen Bescheid darüber, dass ihre Sozialhilfe um etwa 40 – 70 Euro gekürzt wurde. Die Begründung für die Kürzung: Die Flüchtlinge hätten im Krankenhaus Verpflegung bekommen. Ja, das mag die Rechtslage sein. Aber dabei wird überhaupt nicht berücksichtigt, dass die Verpflegung im Krankenhaus oft nicht der Ernährungsweise der Flüchtlinge entspricht und damit völlig ungeeignet ist. Wir fordern das Sozialamt auf, diese schlechte Behandlung von Flüchtlingen einzustellen, die in anderen Landkreisen in Sachsen-Anhalt schon jetzt weniger praktiziert wird. In letzter Zeit leiden die Flüchtlinge in Vockerode (und in Wittenberg allgemein) dank der Wachsamkeit der Polizei zwar weniger unter rechten Übergriffen, dafür aber unter der kompromisslosen Linie der Ausländerbehörde und des Sozialamts. Wir können inzwischen kaum mehr zwischen der Ausländerbehörde und dem Sozialamt unterscheiden, weil beide sich gegenüber Flüchtlingen gleich verhalten. Diese Praxis verurteilen wir.
Wir brauchen ein Umdenken und tiefgreifende Reformen beim Umgang mit Flüchtlingen. Denn Abweisung und Einschränkung waren noch nie eine Lösung.
Wir fordern
– die Abschaffung der Residenzpflicht
– das Recht auf Arbeitserlaubnis und Chancengleichheit
– ein Ende der erzwungenen Illegalität von Flüchtlingen
– mehr Freiheit für Flüchtlinge, damit sie etwas zur Entwicklung beitragen können und nicht mehr dazu gezwungen sind, nur zu konsumieren.
Solidarität ist unser Antrieb!
Toure Dramane
Refugee Comite Wittenberg