Sichere Abschiebestaaten für Roma oder: staatlicher Antiziganismus?
In der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD war es bereits angekündigt, jetzt liegt ein Gesetzesentwurf vor: Die Staaten Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien sollen zu sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden.
Dieser Gesetzesentwurf zielt einzig darauf ab, Asylverfahren von Roma beschleunigen und abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben zu können. Eventuelle Klagen gegen Abschiebebescheide haben dann keine aufschiebende Wirkung mehr. Die Ausreisefrist beträgt eine Woche. Über Eilanträge soll das Gericht ‚grundsätzlich innerhalb einer Woche‘ entscheiden.
Begründet wird die geplante Gesetzesänderung unter anderem mit dem Argument, dass Asylgesuche aus diesen Ländern aus „asylfremden Motiven“ gestellt werden und „offensichtlich unbegründet“ sind.
Das trifft nur zu, sofern man einer die systematische Verschränkung von Diskriminierung und Armut ignoriert, die für Roma in diesen Ländern zu einem massiven Elend führt. Das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ ist aus sich heraus diskriminierend. Es verstößt gegen internationales Recht. Ob einer Person Schutz gewährt werden muss, bleibt immer eine Frage der individuellen Fluchtgeschichte.
Werden die genannten Länder tatsächlich gesetzlich zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, werden die Möglichkeiten für Roma, ihrer aussichtslosen Situation zu entkommen, massiv eingeschränkt. Sie haben dann faktisch keine Chance mehr, sich gerichtlich eine Duldung zu erstreiten und mittelfristig auch ein humanitäres Bleiberecht zu erhalten.
In amtlichen Dokumenten der serbischen Regierung ist von offenem Hass und von offener Gewalt gegen Roma die Rede. Eine Kommission der EU hat kürzlich erneut den fehlenden Schutz von Roma in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien kritisiert. Zahlreiche Berichte des UNHCR und von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen weisen nach, dass Roma elementare Menschenrechte nur bedingt in Anspruch nehmen können. Darum liegt beispielsweise die Lebenserwartung für Romafrauen in informellen Siedlungen bei nur 48 Jahren, wie das Ministerium für Menschenrechte und für Minderheiten 2009 in Serbien herausfand. Die Kindersterblichkeit ist drei Mal höher als im Landesdurchschnitt.
Es mag vielleicht juristisch beschränkten Vorstellungen genügen, von sicheren Herkunftsstaaten zu reden, wenn man Menschen abschieben will, die hier wie dort als unwürdige und nutzlose Arme betrachtet werden. Mit einem humanitären, menschenrechtlich angemessenen Umgang mit Roma-Flüchtlingen hat dies jedoch nichts zu tun. Das könnten sogar diejenigen wissen, die zwar vom Einwanderungsland Deutschland reden, sollen Arbeitskräfte angeworben werden, den Rechten von Flüchtlingen, insbesondere Roma Flüchtlingen, die menschenrechtlich angemessene Beachtung aber verweigern.
Internationale Organisationen haben übereinstimmend festgestellt, die Situation der Roma in Balkan-Ländern ist katastrophal. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hält es für menschenrechtswidrig, massenhaft Menschen in Verhältnisse abschieben zu wollen, in denen sie gewaltförmiger Diskriminierung unterliegen. Umfassende Diskriminierung von Menschen müsste, ginge es menschrechtsgemäß zu, als Fluchtgrund endlich anerkannt werden. Dazu wäre ein Verfahren bereitzuhalten, das fair ist und in dem sämtliche relevanten Bedrohungen, rechtlichen Einschränkungen sowie sozioökonomische Benachteiligungen ermittelt werden. Eine systematisch betriebene Diskriminierung oder Benachteiligung in ihrer kumulativen Wirkung kann sehr wohl Verfolgung, die folgenreiche Beeinträchtigung des Existenzrechtes von Menschen bedeuten und damit nationalen bzw. internationalen Schutz rechtfertigen.
Für das Komitee für Grundrechte und Demokratie
Albert Scherr | Dirk Vogelskamp